Entstehungsgeschichte des ZIS-115 Teil 1

Die nachfolgenden Angaben basieren auf Dokumenten der russischen Staatsarchivs, Fachbereich R-415, recherchiert von Sergei Arbusow, veröffentlicht auf dem russischen Internetprotal Drom am 11.10.2020 sowie eigenen Ergänzungen.


Politische Ausgangssituation
Die Anforderung an die Fahrzeugindustrie der UdSSR, Wagen der höchsten Klasse kugelsicher zu konstruieren, war nicht aus der Luft gegriffen. Während des Krieges hatte es mehrere Attentatsversuche auf führende sowjetische Politiker gegeben.

Das Mikojan-Attentat
So ist ein Angriff auf das Fahrzeug des damaligen Volkskommisars für Außenhandel Anastas Mikojan bekannt, dessen Wagen am 06.11.1942 verkehrsbedingt in unmittelbarer Nähe des Kreml seine Fahrt verzögern mußte und dabei ausgerechnet von einem Sowjetsoldaten, dem Obergefreiten Sawelij Dmitrijew, beschossen wurde, der sich als Wachmann getarnt hatte. Der Attentäter wurde gefaßt und 1950 erschossen.

Unternehmen Zeppelin
Neben diesem möglicherweise verwirrten Einzeltäter ist auch ein Anschlag auf Stalins Leben im Rahmen eines deutschen Kommandounternehmens überliefert. Der Attentäter Pjotr Schilo wurde per Flugzeug in Rußland eingeflogen und sollten Stalin u.a. mit einem tragbaren 4 cm - Granatwerfer attackieren. Auch dieses Attentat wurde vereitelt und endete für den Attentäter, dessen Ehefrau und andere Beteiligte tödlich.

Entwicklungen in anderen Ländern
Noch vor dem ersten Entwurf des Wagens war daher festgelegt worden, den neuen ZIS sowohl in herkömmlicher, als auch in gepanzerter Ausführung herzustellen. Die beiden Versionen sollten äußerlich nicht voneinander zu unterscheiden sein.
Im wesentlichen unterschied sich der Wagen vom 110er und damit vom Packard Super Eight One Eighty Baujahr 1942 durch die in die Karosserie eingebettete Sicherheitsfahrgastzelle und Maßnahmen zur Kompensation des hohen Gewichts durch besondere Baugruppen (Fahrwerk, Bereifung etc.).
Die Deutschen hatten dieses Bauprinzip nach dem Attentat auf Heydrich (siehe Operation Anthropoid) bei den Mercedes-Baureihen 770 und 540K mit großem Erfolg angewandt und um Finessen wie eine Aluminiumaußenhaut zur Abwehr von Haftminen und beschußsicheren Reifen erweitert. Natürlich hält ein ZIS-115 keinen Vergleich mit den teuersten Karossen des traditionsreichsten Automobilherstellers der Welt stand.
Das letzte Bild in der unten abgebildeten Serie zeigt übrigens einen gepanzerten Mercedes 540K als Kriegsbeute auf dem Gelände von NAMI; die Geschichte zum Foto ist (mir) nicht bekannt.

Das Führungsteam
Lichatschow übertrug die Verantwortung für Konstruktion und Herstellung des Fahrzeugs für die Politprominenz Andrej Nikolajwitsch Ostrovtsew, der dadurch zum Chefdesigner des gepanzerten Oberklassewagens aufstieg.

Andrei Nikolajewitsch Ostrovtsew
1902—1988

Im ersten Schritt sollte vom genehmigten Entwurf ein maßstabsgetreues Holzmodell in Originalgröße erstellt werden. Für diese Entwicklungsetappe übertrug Lichatschow dem Chefdesigner des gesamten Werks, Wladimir Nikolajewitsch Lyalin die Verantwortung. Nach Fertigstellung des Holzmodells bedurfte auch dieser Meilenstein eine Genehmigung der „zuständigen Behörden“. Ostrovtsew sollte diese einholen und danach wieder an Lyalin übergeben, welcher vor dem 15. April 1943 in der Versuchswerkstatt zwei Muster der Karosserie eines ZIS-110 S (Spezial) zu fertigen hatte. Doch der erfahrene Lyalin wurde später aus nicht bekannten Gründen durch den 33jährigen Boris Fitterman ersetzt.

Von links nach rechts: Die Designer Ostrovtsew, Siegel und Fitterman im Konstruktionsbüro


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QUELLENNACHWEIS

  • Abbildung 1 - Andrei Nikolajewitsch Ostrovtsew (Wikipedia, russisch)

  • Abbildung 2, 3, 4 - Drome.ru (Online-Fahrzeugmarkt, russisch)

  • Abbildung 5 - Kommersant Autopilot“ Nr. 8 vom 24. November 2017, Autor, Iwan Barantzew (Fahrzeugentwicklung des ZIS-115, russisch)


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Stalinit und Kanadabalsam